„Mein Herz friert, wenn ich Deutsch höre“

Vortrag von Anke Sawahn zum Leben nach dem Holocaust

Zu einem Vortrag über jüdisches Leben nach dem Holocaust hat der Arbeitskreis die Historikerin Dr. Anke Sawahn zum Auschwitz-Gedenktag eingeladen. Am 27. Januar, dem 71. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers, berichtete Sawahn von Überlebenden.

Über das Leben jüdischer Menschen nach dem Holocaust hat Anke Sawahn (stehend) gemeinsam mit Co-Sprecherin Renate Lehmann referiert.
Über das Leben jüdischer Menschen nach dem Holocaust hat Anke Sawahn (stehend) gemeinsam mit Co-Sprecherin Renate Lehmann referiert.

Es dauerte seine Zeit, bis zum Ende des Vortrags Applaus im Saal der „Romantik Bad Rehburg“ erklang. Zunächst war da nur fassungslose Stille nach dem, was Sawahn über und von denjenigen erzählt hatte, die sich selbst die „Riga-Survivors“ nennen. Seit langer Zeit schon hat die Historikerin Kontakt zu einigen der überlebenden Juden aus Riga, die heute in den USA leben. Intensiv hat sie mit vielen von ihnen geredet, hat sich ihre Lebensgeschichten schildern lassen - aus der NS-Zeit und von ihrem Leben danach. Freundschaften seien daraus erwachsen, sagte Sawahn, die sie und ihr Mann pflegten und bei denen es bereits viele Besuche von Deutschland in die USA und auch umgekehrt gegeben habe.


Da ist beispielsweise die Geschichte von Henny Simon, deren Bruder von den Nazis im Zuge des „Euthanasie“-Programms ermordet, deren Mutter und Tante von der SS erschossen wurden und die selbst als Mädchen mehrere Konzentrationslager und einen „Todesmarsch“ überlebte. Jahrzehnte später sagte sie „Mein Herz friert, wenn ich Deutsch höre.“ Dass auch nach der Befreiung das Leben nicht einfach war, dass die Überlebenden nicht wussten, wohin sie gehen sollten und das Leben in Deutschland, ihrer ursprünglichen Heimat, keine Option war, machte Sawahn nicht nur anhand der Lebensgeschichte von Henny Simon deutlich. Dass andererseits aber im Lauf der Zeit in manchen Bereichen Formen der Versöhnung möglich wurden, schilderte sie ebenso. Eindrücklich wurde das mit der Aussage der Überlebenden Lore Oppenheimer, die 2011 bei einem Besuch der Gedenkstätte Ahlem sagte: „Ich könnte mir vorstellen, heute wieder in Hannover zu leben.“


Ans Ende ihres Vortrags stellte Sawahn den Brief einer Beamtin vom Mai 1945 an ihre Eltern. Davon, dass sie selbst von „ernsten persönlichen Schäden“ bewahrt geblieben sei, berichtete die Beamtin dort. Und wechselte dann zu der Schilderung von den Gefangenen aus einem nahe gelegenen Konzentrationslager, die in ihrem Wohnort erschienen seien. „Sie werden von der Bevölkerung wegen ihrer gestreiften Anzüge Zebras genannt“, schrieb sie – und übernahm den Begriff ganz selbstverständlich. Als empfundene Bedrohung beschrieb sie die „Zebras“ und teilte ihren Eltern auch mit, dass es ihr selbst zum Kriegsende bei „anständigem Bohnenkaffee“, Teenachmittagen, Abendessen im Kollegenkreis und Beethoven-Konzerten noch recht angenehm ergehe. Den Brief, sagte Sawahn, habe sie im Nachlass von Elisabeth Schwarzhaupt gefunden. Schwarzhaupt wurde in den 1960er Jahren als erste Frau zur Ministerin einer Bundesregierung.


Verstärkt wurde die Wirkung des Vortrags durch Bilder von Menschen, Orten und Begebenheiten – und durch Renate Lehmann, die sich Anke Sawahn als Co-Sprecherin für die Zitate zur Verfügung gestellt hatte. Manche der Schicksale sind nachzulesen in einer Schriftenreihe, der Mahn- und Gedenkstätte Ahlem.

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