Die Rehburger Synagoge

„Da war der Judentempel“, sagen ältere Rehburger noch heute und weisen auf das Haus mit der Nummer 7 in Rehburgs Mühlentorstraße. ‚Judentempel’ – dieser Ausdruck ist keineswegs abwertend gemeint, sondern lediglich der Begriff für die Synagoge, den sie von ihren Eltern und Großeltern übernommen haben.

Die Geschichte dieser Synagoge im Zentrum Rehburgs beginnt im Jahr 1835, als die Israelitische Gemeinde Rehburg das Grundstück samt Haus kaufte. Bei der Einweihung der Synagoge war auch der Rehburger Pastor Leopold zugegen. In seiner Einweihungsrede sagte er: „Jeden Eingang in dieses Haus und jeder Ausgang aus diesem Haus segne Gott, der Einige, der Ewige, der Allheilige“.


Die Geschichte der Synagoge endete 104 Jahre später mit dem Verkauf des Hauses im Jahr 1939 durch den letzten Vorsteher der Gemeinde, Alfred Birkenruth – ein Jahr nachdem in der Pogromnacht die Synagoge geschändet worden war.
 
Vermutlich baute die jüdische Gemeinde das Gebäude, das ihre Synagoge werden sollte, in den Jahren nach dem Kauf um. So entstand im Erdgeschoss des rückwärtigen Teils des Hauses der Betsaal. Rund neun Meter breit, 5,60 Meter tief, mit einer schmalen Empore auf der Westseite für die Frauen und einer Höhe von rund vier Metern war es ein verhältnismäßig kleiner Raum – der damaligen Größe der jüdischen Gemeinde von weniger als 70 Mitgliedern angepasst. In der Ostwand entstand ein kleiner Erker, der als Thora-Schrein diente.

 

„In der Wand war ein großes Buntglasfenster. Ein Davidstern oder so.“

Erinnerung eines Rehburgers, Jahrgang 1929

 

In den übrigen Räumen des Hauses waren die Religionsschule und Wohnräume eingerichtet.

Eine genauere Vorstellung von der Architektur und der Nutzung der Synagoge bekommen wir durch Bauzeichnungen aus dem Jahr 1934. Damals hatte es einen Brand im Dachgeschoss gegeben. Die Hintergründe des Feuers konnten wir noch nicht nachvollziehen. Allem Anschein nach handelte es sich aber nicht um politisch motivierte Brandstiftung sondern lediglich um eine ‚normalen’ Brand eines Hauses.

1934 also reichte die Israelitische Gemeinde beim Landkreis Pläne zum Wiederaufbau des Hauses ein. Vermutlich blieb die grundsätzliche Aufteilung bestehen. Lediglich einen Ausbau des Dachgeschosses um einige größere Schleppgauben erbat sich die Gemeinde und bekam auch die Zustimmung, obwohl eine Nachbarin versucht hatte, dieses zu verhindern.

 „Die Harke“, 22.05.1934: Stadt Rehburg. F e u e r. Wahrscheinlich infolge Undichtigkeit des Schornsteins geriet der hiesige Judentempel in Brand. Durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr konnten die Nachbarhäuser geschützt werden. Das Gebäude selbst wurde ein Raub der Flammen. Der Schaden ist durch Versicherung gedeckt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Grundriss der Rehburger Synagoge - erhalten in der Bauakte von 1934. 

Mehrere Rehburger haben noch Erinnerungen an die Synagoge. So berichtete uns eine ältere Dame etwa, dass sie gemeinsam mit einer Freundin zugeschaut habe, als eine der Jüdinnen der Gemeinde dort heiratete. Eine andere Rehburgerin erinnert sich, heimlich bei Gottesdiensten zugesehen zu haben. Eine weitere Rehburgerin erzählte, dass die Mitglieder der Gemeinde zum Pessach-Fest gerne den Kindern von ihrem Matzen – dem traditionellen ungesäuerten Brot – abgaben. „Wir freuten uns, wenn wir einen Brocken davon abbekamen, obwohl es eigentlich gar nicht schmeckte.“

 

Hochzeiten und Matzen waren jedoch spätestens 1938 vorbei. Auch in Rehburg ging die Pogromnacht mit einer Verwüstung der Synagoge einher. In alten Unterlagen und in Erzählungen von Rehburgern haben wir Hinweise darauf gefunden:

 

Auszug aus der Rehburger Schulchronik:

10. 9.1938: Kampf dem Weltjudentum.

(Verbrecherischer Mord in Paris an dem deutschen Gesandtschaftsrat v. Rath).

Hier sind noch 5 jüdische Familien wohnhaft, während eine im Laufe des Sommers auswanderte, alle fleißig und harmlos.

Die SA durchsuchte die Wohnungen am 10. 9.38 vormittags. Man fand nichts Bedeutendes. Die Synagoge hier wurde ausgeräumt (zerschlagen), das Gerümpel auf dem Marktplatz verbrannt.

(Bemerk.: Der Schreiber dieser Chronik war am 10. 9.38 mit seiner Familie verreist.) (Anmerkung: in der Chronik ist tatsächlich der 10. September verzeichnet als Tag der Pogromnacht. Der Schreiber muss sich in diesem Fall schlicht und einfach im Datum getäuscht haben)

 

Eine Rehburgerin, Jahrgang 1930, erzählt:

„Meine Freundin und ich kamen aus der Schule und sahen schon an der Meerbachbrücke, dass dort an der Synagoge viele Menschen standen und überall Scherben lagen. Sachen waren nach draußen geschmissen worden. Meine Freundin rief: ‚Oh, unser Haus brennt!“ Sie wohnte doch in einer der Wohnungen der Synagoge. Rauch war nicht zu sehen, aber die Scherben und die Menschen – da dachte sie, dass es brennt.“

 

Auszug aus den gesammelten Unterlagen des verstorbenen Rehburgers Heinz Hortian:

In Rehburg wurde die Einrichtung der Synagoge zerschlagen und auf dem Marktplatz verbrannt. Am 10. 11. vormittags durchsuchte die SA die jüdischen Wohnungen.

Nach diesem Geschehen betrug das Konto der israelischen Gemeinde in Rehburg 93,18 RM.

Beschlagnahmt wurden:

2 Fahrräder

2 Schränke mit Akten und Büchern

1 neuer Kupferkessel mit alten Zinngeräten

1 Motorrad

1 Geldkassette

1 Radiogerät

2 alte Trommelrevolver und 1 Dolch

Altsilber im Wert von 36,60 RM

5 Sparkassenbücher der jüdischen Familien im Wert von 2054,71 RM

1 Synagogenbuch

Heiratsregister von 1812

Familienregister von 1833 – 1843

1 Geburtsliste von 1844 - 1880

1 Trauungsliste von 1844 - 1878

1 Sterbeliste von 1846 - 1873

1 Protokollbuch

1 Siegel

1 Karton alter Akten

 

Von diesen Gegenständen wurde an die Juden zurückgegeben:

1 Motorrad

der Kupferkessel mit Inhalt

das Radiogerät.

An Bargeld erhielten sie zurück 892,14 RM sowie ihr Altsilber.

 

Auf höheren Befehl sollte dann das Synagogenhaus wieder hergerichtet werden. Die Kosten hierfür, die sich auf eine Höhe von 8522,--RM beliefen, sollten von der israelitischen Gemeinde aufgebracht werden. Bei ihrem Guthaben war das natürlich unmöglich. Trotzdem wurde dann Anfang Dezember 1939 eine Teilrenovierung auf Kosten der Stadt durchgeführt, obwohl das Haus schon im April 1939 von dem Vorsteher der israelitischen Gemeinde, Birkenruth, an den Schumachermeister Meyer für 5000,--RM verkauft worden war.

 

Ob es vor dem Kauf des Hauses im Jahr 1835 schon eine Synagoge in Rehburg gegeben hat, wissen wir nicht. Vermutlich gab es aber zumindest einen Bet-Raum, in dem die Gemeinde zu Gottesdiensten zusammenkommen konnte. Das schließen wir aus einem alten Kassabuch der Gemeinde, das im Jahr 1802 begonnen wurde und aus dem wir ersehen können, dass 1827 der Gemeinde eine Tora-Rolle gespendet wurde.

Die einstige Synagoge in der Mühlentorstraße ist mittlerweile vollständig zu Wohnraum umgebaut worden. Der Raum, in dem der Betsaal untergebracht war, zeigt heute keine Hinweise mehr auf seine ursprüngliche Funktion.

 

Ein Hinweis darauf, dass dort einmal die Synagoge der jüdischen Gemeinde Rehburg war, liegt seit dem 2. März 2018 aber im Pflaster der Straße vor der Synagoge mit einer Stolperschwelle, die wir dort haben verlegen lassen.

Quellen:

Hinterlassene Unterlagen von Heinz Hortian, Rehburg

Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen

„Stätten jüdischer Kultur und Geschichte in den Landkreisen Diepholz und Nienburg/Weser“ von Dr.-Ing. Ulrich Knufinke

Rehburger Schulchronik

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