Emmy Goldschmidt, * 1869

Am 28. März 1942 nach Warschau deportiert
 Todestag unbekannt
 
Stolperstein:

Mühlentorstraße 14 in Rehburg

Emmy Goldschmidt wurde am 25. März 1869 in Rehburg als ältestes Kind von Rosalie und Heine Goldschmidt geboren. In ihrem Elternhaus in der Mühlentorstraße 14 lebte sie bis zum 28. März 1942. Dann wurde sie gemeinsam mit ihrem Bruder Max in das Ghetto Warschau deportiert. Der Tag ihrer Ermordung ist unbekannt.

Familie:

 

Das erste von acht Kindern des Ehepaars Rosalie und Heine Goldschmidt ist Emmy gewesen.

Ihr Bruder Anschel kam 1870 zur Welt und starb 1928 in Moers. Ob Anschel heiratete und womöglich Kinder hatte, wissen wir nicht.

1872 wurde Emmys Schwester Ida geboren. Ida heiratete und trug danach den Familiennamen Werner. Wir haben einen Hinweis bekommen, dass Ida den Holocaust überlebt hat und vermutlich nach Cuba geflohen ist. Dieser Spur gehen wir noch nach und hoffen darauf, Nachfahren von Ida Werner, geborene Goldschmidt, in Cuba oder anderswo auf der Erde zu finden.

Das vierte Kind der Familie war Iwan Goldschmidt, 1873 geboren und nur acht Monate später als Säugling gestorben.

Ein Jahr später, 1874, kam Ella Goldschmidt auf die Welt. Ella hat vermutlich 1939 ihr Elternhaus in Rehburg verlassen und ist nach Hamburg gezogen. Am 15. Juli 1942 wurde sie im Alter von 67 Jahren nach Treblinka deportiert und ermordet. Der Tag ihres Todes ist unbekannt.

Max Goldschmidt, 1876 geboren, blieb gemeinsam mit seiner Schwester Emmy im Elternhaus bis zu dem Tag im Jahr 1942, als beide nach Warschau deportiert und ermordet wurden.

Emmys Schwester Johanna, 1878 geboren, heiratete Hermann Levy, mit dem sie nach Lübbecke zog. Johanna starb 1937 – woraufhin ihr Mann Hermann zu Schwägerin und Schwager nach Rehburg zog. Hermann Levy überlebte, indem er gemeinsam mit seinem Sohn Kurt in die USA floh.

Das jüngste Kind von Rosalie und Heine Goldschmidt, Alma, wurde 1880 geboren und starb im Alter von vier Monaten.

 

Sowohl Emmy als auch ihr Bruder Max blieben ledig und lebten gemeinsam in ihrem Elternhaus in Rehburg.

 

Erinnerungen:

 

Was von Emmy geblieben ist, das sind einige schöne Erlebnisse, von denen ältere Rehburger erzählen, die damals noch Kinder waren.

Wie sie gemeinsam des Abends mit ihrem Bruder Max auf der Bank vor ihrem Haus gesessen hat, ist eine dieser Erinnerungen. Was selbst den Kindern damals schon auffiel, das war die Kleinheit der Geschwister: „Weil sie so klein waren, baumelten ihre Beine in der Luft“, sagte uns die Rehburgerin Anni Pfeil. Diese Erinnerung haben wir nachgestellt und als eine der Tafel unserer Ausstellung ‚Sie waren Nachbarn’ gestaltet.

 

Vermutlich auch deshalb, weil sie so klein war, legte Emmy ihre Füße stets auf einen kleinen Schemel, wenn sie in ihrer Stube im Sessel saß. Dieser Schemel hat die Zeit überdauert und wird noch heute in Ehren gehalten.

Mittlerweile besitzt ihn Herta Hainke, die als Kind gemeinsam mit ihrer Familie zur Miete bei Emmy und Max lebte. Als ihre Mutter ihr Emmys Schemel gab, sagte sie ihr: „Den musst du in Ehren halten.“ Das tut sie bis heute und hat ihn uns ausgeliehen, damit wir diese kleine Erinnerung an Emmy Goldschmidt, die in unserer Stadt geblieben ist, in unserer Ausstellung ‚Sie waren Nachbarn’ im Oktober 2014 in Bad Rehburg zeigen konnten.
Woran sich Herta Hainke ebenfalls erinnerte – und nicht nur sie – das sind die Kochkünste von Emmy. Noch heute schwärmt Herta Hainke von dem Grünkohl, den Emmy zubereitet hat und besonders von den ganz kleinen Kartoffeln, die es dazu gab.


Da die Kinder aus der Nachbarschaft Emmys Küche so sehr mochten, weil Emmy wohl auch Kinder mochte und außerdem freigiebig war, haben nach allem, was uns erzählt wurde, recht häufig Nachbarskinder bei Emmy und Max am Mittagstisch gesessen.

Erzählt worden ist uns von älteren Rehburgern außerdem, dass sowohl Emmy als auch ihr Bruder Max ihren Lebensunterhalt als „Kiepenkeerl“ verdienten. Mit der Kiepe – einer auf den Rücken geschnallten Tragevorrichtung – gingen sie zu den Bauern in der Umgebung, kauften Eier, Kartoffeln und andere Waren ein, die sie einmal in der Woche zu einem Markt in Hannover brachten. Gemüse bauten sie außerdem in dem Garten hinter ihrem Haus an.

 

Die Geschwister müssen relativ arm gewesen sein – was letztlich einer der Gründe war, weshalb sie in Rehburg blieben statt zu fliehen. Es fehlten ihnen einfach die finanziellen Mittel für eine Flucht. Ein Hinweis darauf ist ein Satz, den die Bad Rehburger Jüdin Else Freundlich am 2. Mai 1939 an ihre Tochter Paula in England schrieb: „Emmy und Max mit ihrem kleinen Einkommen können es bestimmt nicht machen.“ In den Sätzen zuvor hatte sie ihrer Tochter davon berichtet, dass sowohl sie als auch die Familie Birkenruth „fort“ wollten.

 

 

Schicksal:

 

Als Emmy Goldschmidt 1942 nach Warschau deportiert wurde, war sie bereits 73 Jahre alt. In dem Deportationszug waren neben Emmy und ihrem Bruder Max noch weitere Rehburger und Bad Rehburger Juden: das Ehepaar Birkenruth mit seinen beiden Söhnen wie auch das Ehepaar Freundlich mit fünf seiner sechs Kinder.
Eine ehemalige Nachbarin erinnert sich noch, wie der Bus, der die Juden abholte, frühmorgens vor Emmys und Max Haus anhielt. „Ich sehe Emmy da noch vor dem Bus stehen mit ihrer Mütze“, sagt die Rehburgerin. Mit diesem Bus wurden Emmy und Max nach Ahlem zur Israelitischen Gartenbauschule gebracht, die mittlerweile als Sammellager diente, und drei Tage später mit einem Zug nach Warschau deportiert. Von diesem Zeitpunkt an wissen wir nichts mehr von den Geschwistern und auch der Tag ihrer Ermordung ist nicht bekannt. Gerd-Jürgen Groß schreibt dazu:

„… Erstes Ziel der Deportation war die von der Gestapo zur Sammelstelle umfunktionierte „Israelitische Gartenbauschule“ in Ahlem bei Hannover. Hier herrschte unerträgliche Enge und Ratlosigkeit, was mit dem vermeintlichen „Arbeitseinsatz“ im Osten gemeint sein könnte. Schließlich wurden 491 Personen mit Lastkraftwagen zur Sonderrampe auf dem Bahnhof Fischerhof in Hannover-Linden transportiert. Mit sechs Stunden Verspätung traf der Zug aus Gelsenkirchen nach einem Zwischenhalt in Bielefeld in Linden ein. … Gegen Mitternacht fuhr der Sonderzug Da 6 ab, begleitet und bewacht von einem 16-Mann-Kommando der Schutzpolizei. Sein Fahrtziel nun nicht mehr Trawniki, sondern das überfüllte Ghetto in Warschau. Dort traf der Zug im Laufe des 1. April ein.
Der Ghetto-Älteste Adam Czerniakow notierte in seinem Tagebuch: … „Die Deportierten aus Hannover usw.  wurden im Spital an der Lezno-Straße untergebracht. Sie hatten nur kleine Gepäckstücke mitgebracht…, alte Leute, viele Frauen, kleine Kinder“.


Drei Monate später begann die SS mit der Räumung des Ghettos und dem Transport der Menschen in Güterwaggons in das nun fertig gestellte Vernichtungslager Treblinka II, ca. 80 km nordöstlich von Warschau. Höchstwahrscheinlich wurden die Familie Freundlich und die Geschwister Goldschmidt hier sofort nach dem Eintreffen in einer Gaskammer mit Kohlenmonoxyd ermordet.

 

In Emmys und Max Haus blieb die Familie Heinen leben. Sie hatten dort bereits zuvor als Mieter der Geschwister gelebt.
Einige Jahre nach dem Krieg versuchte die Mutter der Familie Heinen herauszufinden, ob Angehörige der Geschwister überlebt hatten. Vermutlich schaltete sie eine Anzeige im ‚Aufbau’, einer deutsch-jüdischen Emigrantenzeitung, die auch in New York erschien. Was erhalten geblieben ist und was uns eine Tochter von Auguste Heinen zeigte, ist der Brief, den Hermann Levy daraufhin nach Rehburg schrieb.
Hermann Levy lebte zu jenem Zeitpunkt tatsächlich in New York. Er fragte, was aus den Sachen von Emmy und Max geworden sei, ob der jüdische Friedhof der Zerstörung entgangen sei und dass er gedenke, gemeinsam mit anderen Angehörigen Ansprüche auf das Elternhaus der Geschwister Goldschmidt geltend zu machen.
Das tat Hermann Levy einige Jahre später und klagte gemeinsam mit seinem Sohn Kurt, seiner Schwägerin Ida (Cuba) sowie Ruth Goldschmidt (USA) und Heinz Goldschmidt (Südafrika) gegen das Deutsche Reich auf Wiedergutmachung und Rückübertragung des Eigentums an dem Haus. Mit Urteil vom 17. März 1955 wurde ihnen das Haus der Familie Goldschmidt wieder zugesprochen.

Quellen:

Gerd-Jürgen Groß, ‚Sie lebten nebenan’, Erinnerungsbuch für die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933 – 1945 deportierten und ermordeten jüdischen Frauen, Männer und Kinder aus dem Landkreis Nienburg/Weser sowie Auszüge aus Groß Vortrag ‚Transportiert und deportiert’.

Hinterlassene Unterlagen von Heinz Hortian, Rehburg

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