Sigmon Stern, * 1878

1942 nach Auschwitz deportiert

Stolperstein:
Mühlentorstraße 7, Rehburg


Familie:

 

Sigmon Stern (genannt Siegmund) wurde am 14. Juni 1878 in Burkhardsfelden in Hessen geboren. 1942 wurde er in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Sein Todestag ist nicht bekannt. Auf Antrag seiner Tochter Sofie wurde er mit Datum 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Sigmon wurde als uneheliches Kind der Fanni Stern geboren. Der Vater war sogenannter „Arier“. Die Ehe kam wegen Einspruchs der Eltern der Mutter nicht zustande.
Sigmon ergriff den Beruf des Lehrers.

Der ersten Ehe von Sigmon entsprangen drei Kinder: die Zwillinge Milli und Ludwig Stern (11. September 1903) sowie Sofie Stern (19. Februar 1905 in Frankfurt a.M.).
Milli Stern ist 1949 nach Kanada ausgewandert (21. Februar 1949 Ankunft im DP-Camp Ludwigsburg, 22. März 1949 via Bremen nach Kanada).
Ludwig Stern wanderte am 28. April 1949 via Bremen in die USA aus.
Sofie Stern war verheiratet mit dem Christen Richard Humbrock und lebte in Bückeburg. Das Ehepaar hatte einen Sohn Richard. Er lebt heute in Deutschland.
Sofie war vom Februar 1945 bis 20. Juni 1945 in Theresienstadt interniert. Sie hat das Konzentrationslager überlebt und ist in Bückeburg gestorben. Sie wohnte dort in der Dammstraße 17. Zu ihrem Gedenken wurde vor diesem Haus ein Stolperstein verlegt.

Sigmon heiratete in zweiter Ehe am 24. November 1933 in Hessisch Oldendorf die dort geborene Anna Johanna Amalie Blumenthal (*16. Juni 1905). Das Paar zog 1934 nach Rehburg. Dort wohnte es in der Mühlentorstraße 7 - in dem Haus, in dem sich auch die Synagoge befand.

 

Erinnerungen:

 

Im Geburtenbuch des Standesamtes in Burghardsfelden befindet sich ein Antrag von Sigmon, in dem er um die Eintragung des nach dem Gesetz vorgeschriebenen Vornamens Israel bittet. „Ich wurde als Jude erzogen und bin es auch entsprechend den in den letzten Jahren erlassenen Reichsgesetzen“. Offenbar war er stolz auf seine jüdische Herkunft und legte keinen Wert auf eine Vorzugsbehandlung als sogenannter „Mischling“ – so jedenfalls teilte er es dem Standesamt am 10. Dezember 1938 mit.

Jeden Morgen stieg Sigmon auf sein Fahrrad, um damit von Rehburg nach Neustadt in die Schule zu fahren, in der er unterrichtete – daran erinnert sich eine ältere Rehburgerin. Sie erzählte uns auch, dass er seine Aktentasche immer dabei hatte und die Rockschöße hochschlug, um damit nicht in die Speichen zu geraten.

Auch Paula Freundlich, die Jüdin aus Bad Rehburg, die durch einen Kindertransport nach England dem Holocaust entfliehen konnte, erinnerte sich anlässlich der Stolpersteinverlegung für ihre Familie an Sigmon Stern. An jedem Freitag seien die Kinder mit dem Fahrrad von Bad Rehburg nach Stadt Rehburg zum Religionsunterricht in die Synagoge zu Sigmon Stern gefahren.
Als der Tag näher gerückt sei, an dem sie – Paula -  1939 nach England fliehen sollte, sei es Sigmon Stern gewesen, der ihr mit ihren 13 Jahren Mut zugesprochen und sie auf ihr zukünftiges Leben in einem fremden Land vorbereitet habe.

 

Schicksal:

 

Auch Sigmon Stern bekam die Übergriffe auf die Juden hautnah zu spüren. In der Pogromnacht am 9. November 1938 drangen Uniformierte der SA in die Synagoge ein - in jenes Haus, in dem Sigmon so oft seine Schüler in der Religionsschule unterrichtet hatte. Die großen Buntglasfenster des Betraumes wurden zerstört. Sämtliches Inventar der Synagoge wurde zerschlagen, auf den naheliegenden Marktplatz transportiert und angezündet. Auch die Tora wurde dort verbrannt. Sigmon Stern wurde mit weiteren Männern der jüdischen Gemeinde verhaftet. Sie mussten mit ansehen, wie das Feuer all die Dinge aus der Synagoge verschlang, die ihnen lieb und teuer waren und ihren Glauben repräsentierten. Anschließend wurden sie von der Gestapo Hannover in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt.
Sigmons Frau Anna floh daraufhin aus Rehburg nach Bad Salzuflen.

 

Im Dezember 1938 wurde Sigmon aus Buchenwald entlassen. Er kehrte nach Rehburg zurück.

In dem Buch „Rehburg – Geschichte einer kleinen Stadt“, das Rehburgs ehemaliger Bürgermeister Dr. Werner Hübner 1966 herausgab, ist unter der Überschrift „Die israelitische Gemeinde“ zu lesen: „Am 14.4.1939 musste der jüdische Lehrer Stern seinen Dienst quittieren, da kein Geld zum Gehaltzahlen mehr da war…“

Aus einigen Briefen aus dem Jahr 1939 wissen wir, dass Sigmon Stern in den Monaten nach der Pogromnacht nach und nach seine Schüler verloren hat. Dort ist die Rede von den jüdischen Schülern, die aus Rehburg und Bad Rehburg zuvor zu ihm in die Synagoge kamen und die er nicht mehr unterrichten konnte, weil sie allesamt nach Ahlem in die Israelitische Gartenbauschule gehen mussten. Laut dieser Briefe hat er in seiner Zeit in Rehburg auch jüdische Kinder aus Warmsen und Petershagen unterrichtet. Mit ihnen erging es ihm ähnlich wie mit den Rehburger Kindern, so dass er nach und nach seine Existenzgrundlage verlor – mangels Schülern zahlte ihm der Verband der jüdischen Gemeinden ab Mitte April 1939 kein Geld mehr.
Ungefähr ab diesem Zeitpunkt sah sich Sigmon nach einer anderen Arbeitsstelle als Lehrer um. Von Bewerbungen für Hannover, Hagen, Aurich, Fulda und Leipzig ist zunächst die Rede. Reisen zu den jüdischen Gemeinden in einigen dieser Städte folgten. Dort stellte er sich vor, bekam aber nirgendwo einen positiven Bescheid.


Im Juni 1939 war der Verkauf des Synagogen-Gebäudes beschlossene Sache. Die Gemeinde konnte das Geld für die Reparaturen, die nach den Verwüstungen der Pogromnacht nötig waren, nicht aufbringen. Alfred Birkenruth, als letzter Vorsteher der jüdischen Gemeinde Rehburg, verkaufte das Haus. Für Sigmon Stern und seine Frau Anna bedeutete das, dass sie aus dem Haus ausziehen mussten. Bis zum August 1939 sollten sie ihre Wohnung verlassen, da dann der Käufer, ein Schuhmachermeister, dort einziehen wollte.


Am 18. August 1939 zog er mit seiner Frau tatsächlich aus – ohne eine neue Perspektive. Bei der Jüdin Ida Frank in Steinhude hatten sie eine möblierte Bleibe gefunden. Ihre Möbel lagerten sie in der Lederkammer der Bad Rehburger Familie Freundlich ein.

 

Am 20. September 1939 zog Sigmon nach Ratibor in Schlesien, Schrammstraße 9, unweit von Ausschwitz. Seine Frau folgte ihm.

Am 13. Juli 1942 wurden Anna und Sigmon Stern in Ratibor verhaftet und am 14. Juli um 11 Uhr vormittags nach Auschwitz deportiert. Ihr Todestag ist nicht bekannt.

Am 30. September 2016 sind vor dem Haus Mühlentorstraße 7 in Rehburg Stolpersteine zum Gedenken an Anna und Sigmon Stern verlegt worden.

Gabriele Arndt-Sandrock
Regina Brunschön
Heinrich Lustfeld

Beate Ney-Janßen

Quellen:

Gerd-Jürgen Groß, ‚Sie lebten nebenan’, Erinnerungsbuch für die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933 – 1945 deportierten und ermordeten jüdischen Frauen, Männer und Kinder aus dem Landkreis Nienburg/Weser
Hinterlassene Unterlagen von Heinz Hortian, Rehburg
Yad Vashem, Israel
Bundesarchiv-Gedenkbuch
Kreisarchiv Nienburg
Stadtarchiv Reiskirchen
Landesarchiv Bückeburg
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