Gideon Ehrlich, * 1942

16. April 1942 im Ghetto Riga geboren
5. November 1943 ins KZ Auschwitz deportiert
Dort vermutlich sofort in die Gaskammer geführt

Familie:

 

Grete Ehrlich, geborene Cohn, war bereits schwanger mit ihrem Sohn Gideon, als sie am 15. Dezember 1941 von Hannover in das Ghetto Riga deportiert wurde. Ihren Sohn brachte sie dort, im Ghetto Riga, am 16. April 1942 zur Welt. Gideon hat niemals anderswo als in Riga gelebt – sein Name ist allerdings einer jener, die auf dem Holocaust-Denkmal am hannoverschen Opernplatz für die jüdischen Opfer der Nationalsozialisten aus Hannover eingemeißelt sind.

Gideons Mutter Grete lebte einige Zeit in Bad Rehburg im Haus der Familie Freundlich gemeinsam mit ihrer Mutter Else Busack und Halbschwester Herta Busack.

Gideons Vater Alfred Ehrlich stammte aus Preußisch Oldendorf, flüchtete vor den Nazis von dort nach Hannover und heiratete im Jahr 1940 Grete Cohn. Alfred Ehrlich wurde ebenfalls nach Riga deportiert, kam später in das Konzentrationslager Bergen Belsen und gehörte dort zu den Überlebenden.

Gideon und seine Mutter wurden im November 1943 nach Auschwitz deportiert und vermutlich direkt nach ihrer Ankunft in einer Gaskammer ermordet. Er wurde ein Jahr, sechs Monate und 19 Tage alt.

 

Erinnerungen und Schicksal:

 

Nur sehr wenig können wir von Gideon erzählen. Ihm ist schließlich nur wenig mehr als ein Jahr Lebenszeit gegeben worden bis die Nazis beschlossen, diesen kleinen Jungen zu ermorden.
Das wenige, was wir wiedergeben können, stammt aus den Erinnerungen, die sein Vater Alfred Ehrlich nach dem Ende der NS-Herrschaft über jene Zeit aufschrieb.

Alfred Ehrlich war irgendwann in 1941 zur Zwangsarbeit in das Lager Salaspils südöstlich von Riga deportiert worden. In das Ghetto Riga kam Gideons Mutter, schwanger mit ihm, mit dem Transport, der am 15. Dezember 1941 in Hannover startete.

 

Aus Alfred Ehrliche Erinnerungen „12 Jahre nazistische Schreckensjahre“:

  „Anfang Mai 1942 kam wieder ein solcher Transport aus Riga. Groß war meine Freude, als ein Bekannter mir Grüße und einige belegte Scheiben Brot von meiner Frau überbrachte und mir erzählte, dass meine Frau am 16. April einem Jungen das Leben geschenkt hätte und alles wohlauf wäre. Diese Nachricht hatte mich tief erschüttert und ich hatte mir nun noch mehr vorgenommen, dem Tod, der mir so nahe war, mit aller Energie zu trotzen.“

 

Im August 1942 wurden Zwangsarbeiter aus dem Lager Salaspils abgezogen und zum Ghetto Riga geschafft. Auch Alfred Ehrlich war unter ihnen:

  „Viele Frauen und Mütter waren bitter enttäuscht. Sie haben vergebens nach dem Mann oder Sohn Ausschau gehalten, er ruhte in Salaspils. Auch meine Frau war schon verzweifelt gewesen, da ich auf dem letzten Wagen war, aber bald darauf gab es ein rühriges Wiedersehen mit meiner Frau und Kind und meinen anderen Angehörigen. Mein Kind, welches ich noch nie gesehen hatte, war wohl meine größte Freude. Dieser Tag, an welchem ich meine Angehörigen wiederzusehen gewünscht hatte, war mein Geburtstag, der 16. August. Mein sehnlichster Wunsch war in Erfüllung gegangen.“

 

Alfred Ehrlich zum Ghetto Riga:

  „Das Ghetto, welches ein mit doppeltem Stacheldraht umsäumtes Stadtviertel war, war mit ca. 14.000 Juden belegt, davon ca. 8.000 deutsche, österreichische, tschechische Juden, welche den einen Teil des Ghettos bewohnten, und ca. 6.000 lettische Juden, welche den anderen Teil bewohnten.“

 

Und zur Auflösung des Ghettos Riga im November 1943:

  „Die restliche Auflösung des Ghettos war nun beschlossene Sache. Einer der aufregendsten Tage seit Bestehen des Ghettos war dann hierzu ein Tag Anfang November 1943. An diesem Tage mussten sämtliche Insassen des Ghettos an dem Kommandanten und seinem Gefolge in Einer-Reihen vorbeigehen. Ältere, schwache und kranke Leute wurden herausgesucht und gleichzeitig auf Lkw verladen. Frauen mit Kindern unter zehn Jahren waren auch für diesen Transport bestimmt. Eine ukrainische SS-Abteilung war dazu bestimmt, das gesamte Ghetto nach versteckten Leuten zu durchkämmen. Manch einen haben diese Rohlinge dann herangezerrt, auch einige, falls sie sich widersetzten, gleich in ihrer Wohnung erschossen. Auf dem Appellplatz war es an diesem Tage ein Gejammer und ein Elend, dieses zu beschreiben ist mir unmöglich. Hier standen Kinderwagen mit Kleinkindern oder es liefen dort schon größere Kinder herum, welche nach ihrer Mutter oder ihrem Vater riefen. Die Eltern dieser verlassenen Kinder waren aber teils morgens zur Arbeit gegangen oder sie waren schon in den Lkw verladen. Auch meine Frau mit unserem 1 1/2 -jährigen Gideon konnte ich vor diesem Transport ins Ungewisse nicht retten. Außerdem wurde uns von dem Adjutanten der Kommandanten mitgeteilt, dass dieser Transport weiter westlich verlagert würde, der Rest des Ghettos käme in den nächsten Tagen auch dorthin und wir kämen dann mit unseren Angehörigen wieder zusammen. Die Leute dieses Transports wären dort besser aufgehoben, als hier im Ghetto. Erst viel später haben wir dann erfahren, dass dieser Transport von ca. 2.000 Menschen nach Auschwitz gegangen ist. Das größte Vergasungslager aller Zeiten, in welchem Millionen Menschen umgebracht worden sind. Ich war froh, als uns gegen Abend mitgeteilt wurde, unser Dienst sei für heute zu Ende, wir könnten heimgehen. Nach diesem erschütternden Erlebnis war wohl jeder der Zurückgebliebenen, auch wenn er noch mit seinen Angehörigen zusammen war, so niedergeschlagen, dass der Schrecken sich noch in den entstellten Gesichtszügen widerspiegelte.“

 

Die Aufzeichnungen Alfred Ehrlichs hat der Preußisch Oldendorfer Pfarrer Hans-Joachim Karrasch als Grundlage für eine Broschüre über das Schicksal der Familie Ehrlich genommen mit dem Titel „…dass dieses sich nie wiederholen mögen.“ In dieser Broschüre schreibt Karrasch unter dem Namen Grete Ehrlich:

„Das Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau von Danuta Czech gibt für den Transport von Riga nach Auschwitz an, dass von insgesamt 1.000 Menschen, die am 5. November 1943 in Auschwitz eintrafen, nur 30 Frauen zur Zwangsarbeit ausgewählt wurden. Üblicherweise wurden Frauen mit Kindern nicht zur Zwangsarbeit ausgewählt, sondern direkt nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet. Daher kann der Tod von Grete Ehrlich und ihrem Sohn Gideon Ehrlich im Vernichtungslager Auschwitz auf den 5. November 1943 datiert werden.“

 

Wer in Hannover das Mahnmal für die verfolgten Juden der Stadt besucht, kann auch Gideons Namen dort finden. Die eingemeißelten Worte für ihn lauten: Ehrlich Gideon, Jg. 1942, verschollen.

Quellen:

- Website www.juedisches-leben.kommunalarchiv-minden.de

- Broschüre über das Schicksal der Familie Ehrlich mit dem Titel „… dass dieses sich nie wiederholen möge -
  12 Jahre nazistische Schreckensjahre – Die Erinnerungen Alfred Ehrlichs“, Hans-Joachim Karrasch

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