Salomon Hammerschlag, * 1868

1938 nach Argentinien geflohen

Stolperstein:
Mühlentorstraße 25, Rehburg

Salomon Hammerschlag
Salomon Hammerschlag
Familie:

 

Salomon Hammerschlag wurde am 21. Oktober 1868 in Rehburg geboren und starb am 4. Juni 1943 in der Siedlung Moises Ville in Argentinien, wohin er 1938 mit seinen Kindern geflohen war. Seine Frau Berta Hammerschlag, geborene Grünbaum, starb bereits 1924. Ihr Grabstein steht noch auf dem jüdischen Friedhof in Rehburg – wie auch etliche weitere Grabsteine von Familienmitgliedern.

 

Um 1899, so schätzen wir, heiratete Salomon Hammerschlag seine Frau Berta Grünbaum. Vier Kinder wurden dem Paar in den folgenden Jahren geboren: 1900 zunächst Tochter Frieda, im Jahr 1902 Tochter Paula, auf die 1903 ihre Tochter Selma folgte. Ihr Sohn Julius wurde 1908 geboren.


Das Paar lebte in dem Haus, das heute die Adresse Mühlentorstraße 25 hat. Salomon ging dort seinem Beruf als Schlachter nach – wie schon etliche Generationen seiner Familie zuvor.

Berta Hammerschlag
Berta Hammerschlag
Das Grab von Berta Hammerschlag
Das Grab von Berta Hammerschlag

Salomon und Berta Hammerschlag am Erntewagen
Salomon und Berta Hammerschlag am Erntewagen
Erinnerungen:

 

Erinnerungen älterer Rehburger an die Familie Hammerschlag gibt es kaum noch. Das liegt vermutlich daran, dass die Familie bereits 1938 aus Rehburg floh. Direkt vor dieser Flucht soll die Familie im Bürgersaal des Rehburger Rathskellers das Inventar ihres Hauses verkauft haben – das erzählte uns ein Rehburger. Auch erinnerte er sich daran, dass sie Möbel, Reitsättel und Pferdegeschirr in zwei Lkw mitgenommen haben.


Die Rehburgerin Anni Pfeil erzählte uns, dass ihr Vater – der Schneider in Rehburg war – von der Familie den Auftrag bekam, helle Anzüge zu schneidern. Darüber habe sie sich gewundert. Wer wollte denn in Rehburg einen hellen Anzug tragen? Daraufhin habe ihr Vater ihr erklärt, dass die Familie Hammerschlag nach Argentinien gehe, in ein Land, in dem es sehr warm sei und wo deshalb helle Anzüge notwendig seien.

 

 

Schicksal:

 

Noch vor der Pogromnacht hatte die Familie Hammerschlag erkannt, wie gefährlich die Situation für die Juden in Deutschland war, und vermutet, dass die Lage noch schwieriger werden würde – so schwierig, dass sie es vorzog, weit fort zu fliehen.

Die ‚Jewish Colonization Association’ (JCA) bot ihnen die Chance zur Flucht in eine ihrer Kolonien in Argentinien an. Der aus Bayern stammende Baron von Hirsch hatte 1891 die JCA, eine jüdische Siedler–Vereinigung, gegründet. Mit einem Teil seines Vermögens gründete Baron von Hirsch 21 Kolonien in Argentinien zur Ansiedlung russischer Juden. Diese Möglichkeit konnten auch deutsche Juden während der Nazizeit nutzen.

Nachdem Salomon sein Haus in Rehburg verkauft hatte, fuhr die Familie nach Hamburg.
Salomon, sein Sohn Julius, dessen Frau Betty und Tochter Selma, sowie Tochter Frieda und deren Mann Max Simon, die kurzzeitig von Uchte nach Rehburg gezogen waren. Von Hamburg aus ging es mit dem Schiff „Monte Olivia“ in Richtung Argentinien. Am 22. März 1938 lief das Schiff in den Hafen von Buenos Aires ein. Von dort aus ging es weiter in die argentinische Pampa. Dort lebte Salomon Hammerschlag bis zu seinem Tod im Jahr 1943.

Was aber hat die Familie Hammerschlag bewogen, bereits 1938 alles hinter sich zu lassen, was sie sich in Rehburg aufgebaut hatte? Ein Grund waren sicherlich die ständig anwachsenden Anfeindungen und Repressalien, denen Juden in Deutschland ausgesetzt waren. Ganz konkret und so, dass sie davon in ihrer Existenz bedroht wurde, bekam die Familie den Antisemitismus zu spüren, als das Kloster Loccum die Handelsbeziehungen zu ihnen kündigte.

Jose Hammerschlag – Enkel von Salomon und Sohn von Julius – hat uns dazu eine Geschichte erzählt, die seine Eltern ihm berichteten. Und zwar sei Ende 1936 oder auch Anfang 1937 eines Freitagabends ein Bediensteter des Klosters zu seiner Familie nach Rehburg gekommen. Der Tisch sei wegen des beginnenden Sabbat festlich gedeckt gewesen, die Kerzen eben entzündet, die Familie versammelt, schreibt Jose Hammerschlag, als der Mann aus dem Kloster ihnen mitteilte, dass die Geschäftsbeziehungen miteinander aufgekündigt seien „wegen der Vorschriften von oben“. Es täte ihm leid und er hoffe, dass das alles bald vorbei sei. Das sei jedoch nicht geschehen und sein Großvater Salomon habe daraus den Schluss gezogen, mit seiner Familie auswandern zu müssen.

Das Kloster Loccum war einer der größten – wenn nicht der größte – Abnehmer von Salomon Hammerschlags Fleisch- und Wurstwaren. Rund 200 Jahre, sagte uns Jose Hammerschlag, hätten die Geschäftsbeziehungen angedauert. Und wurden nun gekündigt.

Unterlagen im Kloster besagen, dass bereits 1930 – also drei Jahre vor der Machtübernahme durch die Nazis - Vikare im Predigerseminar des Klosters gegen Fleisch-Lieferungen von einem Juden bei ihrem Abt protestierten. Zum einen gehe es nicht an, dass das Loccumer Kloster Lieferungen aus Rehburg erhalte, wo doch im Dorf Loccum ein guter Fleischer ansässig sei, ist dort verzeichnet. Zum anderen könnten die Geschäftsbeziehungen zwischen dem Kloster und einem Juden propagandistisch gegen das Kloster verwendet werden. Der Abt entschied sich seinerzeit für einen Kompromiss: die Hälfte der Lieferungen kam künftig vom Loccumer Fleischer, die andere Hälfte durfte die Familie Hammerschlag nach Loccum bringen. 1936/37 wurde der Vertrag endgültig gekündigt.

Am 27. November 2015 ist vor dem Haus Mühlentorstraße 25 in Rehburg ein Stolperstein für Salomon Hammerschlag verlegt worden, ebenso wie für seine Tochter Selma, Sohn Julius und dessen Ehefrau Betty. Zur Verlegung ist Salomons Enkel Jose Hammerschlag aus Israel gemeinsam mit seiner Frau Evelyn und ihren drei Söhnen Ruben, Ariel und Yair zu Besuch gekommen.

Quellen:

Hinterlassene Unterlagen von Heinz Hortian, Rehburg

Kreisarchiv Nienburg

Archiv des Klosters Loccum

Erinnerungen von Rehburgern und Jose Hammerschlag

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